Schwerpunkt

ALS WIR TRÄUMTEN

Revolution, Mauerfall, Nachwendezeit

»Als wir träumten« steht – in Anlehnung an den gleichnamigen Roman von Clemens Meyer (2006) und dessen Verfilmung durch Andreas Dresen (2015) – genauso für die Zeit um 1989/90 wie für die unmittelbare Nachwendezeit, als im Osten Deutschlands flächendeckend geträumt wurde. Die Träume waren vielfältig, manche gingen in Erfüllung, die meisten nicht. Reisefreiheit gehört zur ersten Kategorie, ein reformierter Sozialismus zur zweiten. Aus Träumen können Traumata werden. Dass die Mauer fällt, mag für Funktionäre der DDR ein Alptraum gewesen sein, für einen großen Teil der Bevölkerung begann dieser in dem Moment, als er seine Arbeit verlor. Investoren träumten von der schnellen Mark, Jugendliche von Selbstverwirklichung, andere von einem großdeutschen Reich. Es gab Glücksgefühle, Schamgefühle, Rachegefühle. Es gab Aufbruchstimmung und Aktionismus, Nostalgie und Apathie. Es gab Traumtänzer und Traumdeuter. Es gab ein böses Erwachen, und es gibt noch immer den Dornröschenschlaf, der über manch »blühender« Landschaft liegt.

Unsere diesjährige thematische Retrospektive widmet sich den historischen Ereignissen der Wende und der unmittelbaren Nachwendezeit, den frühen 1990er-Jahren. Wir zeigen sie in einer Mischung aus direkt in diesem Zeitraum entstandenen Filmdokumenten und rückblickender audiovisueller Geschichtsschreibung, wobei auch Spielfilme ein Dokument ihrer Entstehungszeit sind, und Geschichtsschreibung im Film sowohl dokumentarischen als auch fiktionalen Charakter haben kann. Die »Traumfabrik«, die all diese historischen Fakten und Fantasien registriert und hervorgebracht hat, ist divers: einige Filme entstanden noch bei der DEFA, andere wurden in der DDR geplant, aber erst nach der Wiedervereinigung realisiert. Es gibt Kinoproduktionen mit Starfaktor und beachtenswerte Fernsehfilme, kanonisierte Klassiker und zu Unrecht in Vergessenheit geratene Werke.