Filmprogramm

1975 wird Fritz Teufel, Mitbegründer der Kommune 1 und neben Rudi Dutschke bedeutendster Aktivist der Westberliner Studentenbewegung, festgenommen. Die Anklage: Mitgliedschaft in der Bewegung 2. Juni, Mittäterschaft im Fall der Entführung des Berliner CDU-Politikers Peter Lorenz und Mord an dem Berliner Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenkmann. Fünf Jahre später ist Teufel wieder frei. Kurz vor dem Spruch eines Fehlurteils konnte er dem Gericht mit einem aufsehenerregenden Alibi seine Unschuld in den Hauptanklagepunkten beweisen. Hier nimmt er Stellung zu seinem Leben.

1981 | Hans-Dieter Grabe | TV-Dok | 55 Min | Betacam SP

Der studentische Film DIE WILDEN TIERE ist ein fragmentarischer Bericht von einer im Juli 1969 im fränkischen Ebrach abgehaltenen Solidaritätsveranstaltung für einen inhaftierten Studenten, bei der APO-Größen wie Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel, Georg von Rauch und Irmgard Möller auftraten.

1969/70 | Katrin Seybold, Gerd Conradt | Dok | 40 Min | 16mm

Die Medienbilder des ausgemergelten Körpers von Holger Meins, der mit nur 33 Jahren infolge eines Hungerstreiks in Untersuchungshaft starb, lösten 1974 eine Welle der Empathie aus, die die Bildung einer zweiten und dann dritten RAF-Generation befeuerten. Gerd Conradts Dokumentarfilm Starbuck Holger Meins sucht nach der Person hinter der Chiffre und fragt nach dem Werdegang des ehemaligen Filmemachers und RAF-Mitglieds Meins. Conradt gehörte wie Meins zum Gründungsjahrgang der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin (dffb).

2001 | Gerd Conradt | Dok | 92 Min | 35mm

Zur feierlichen Eröffnung der ersten Ausgabe von moving history findet auch die Verleihung der Clio statt. Die Clio ist ein Preis für den besten aktuellen Film zu einem historischen Thema. Im Anschluss an die Verleihung wird der Gewinnerfilm vorgeführt.

Mitten in seine tiefsten Lebenskrise gerät der Holocaust-Forscher Toto an die französische Assistentin Zazie, jüdischer Herkunft und mit ausgeprägter Teutonen-Phobie. Eine aberwitzige Geschichte über die Frage: Was passiert, wenn der
deutsche Völkermord von Leuten erforscht wird, die emotional labil, durch Herkunft und Lebensart auf unvereinbare Weise getrennt und dennoch ineinander verliebt sind?

2016 | Chris Kraus | Spiel | 125 Min | DCP

Hans und Clara, ehemals linksterroristische Aktivisten, führen mit ihrer Tochter Jeanne ein Leben im Untergrund. Die Angst vor Polizeifahndung und finanziellem Ruin begleitet sie täglich. Dabei sehnt sich Jeanne zunehmend nach Normalität und Gleichaltrigen. In Portugal hat sie sich in den Surfer Heinrich verliebt, und als sich ihre Wege in Deutschland erneut kreuzen, beginnt sie, sich der streng isolierten Existenz ihrer Familie zu entziehen. Subtil befragt der Film mit der Figur der Jeanne das Handeln der Eltern.

2000 | Christian Petzold | Spiel | 108 Min | DCP
In Kooperation mit der Friedrich Ebert Stiftung, Landesbüro Brandenburg und dem Filmmuseum Potsdam
Anmeldung erforderlich

Die im Rahmen der Reihe »Zeichen der Zeit« des Süddeutschen Rundfunks ausgestrahlte Fernseh-Dokumentation DER POLIZEISTAATSBESUCH behandelt den Staatsbesuch von Schah Reza Pahlavi in der BRD im Mai/Juni 1967 und hält die studentischen Proteste fest, bei denen am 2. Juni der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde. Die Bilder – vom Protest, den sogenannten Prügelpersern und vom sterbenden Ohnesorg – sind später vielfach zitiert und zu Ikonen der Ereignisse geworden.

1967 | Roman Brodmann | TV-Dok | 44 Min | BluRay

RUHESTÖRUNG dokumentiert den studentischen Protest in Berlin und Hannover: Diskussionsveranstaltungen, Aktionen und Demonstrationen. Die brutale Auflösung der Demonstration gegen den Staatsempfang für den persischen Schah durch die Berliner Polizei und die Erschießung von Benno Ohnesorg  (einschließlich der problematischen Aufklärung der Tat) führten zur Mobilisierung und Radikalisierung der Studentenschaft.

1967 | Hans Dieter Müller, Günther Hörmann | Dok | 86 Min | ProRes-Datei

DAS ABONNEMENT, ein Kurzfilm des Iraners Ali Limonadi, der in den 1960er Jahren an der Hochschule für Bildende Künste studierte, war lange verschollen. Gudrun Ensslin wird hier als Traumfrau und Muse stilisiert.

1967 | Ali Limonadi | Spiel | 12 Min | Mov-Datei
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WER WENN NICHT WIR setzt Andres Veiels langjährige Auseinandersetzung mit dem RAF-Terrorismus im Narrativ eines Spielfilms fort, in dessen Mittelpunkt die Entwicklungsgeschichte der jungen Gudrun Ensslin bis zu ihrem Abtauchen in die Illegalität steht. Dabei fokussiert Veiel, wie in seinen anderen RAF-Filmen, nicht auf Action oder auf eine Kritik an den staatlichen Reaktionen auf die gewalttätige »Systemfrage«. Nach umfangreichen Zeitzeugengesprächen und Archivrecherchen entwickelte er das Drehbuch gemeinsam mit dem Historiker Gerd Koenen. Auch »Die Reise«, das nachgelassene autobiographische Romanfragment von Bernward Vesper, Gudrun Ensslins Weggefährten und Vater ihres Sohnes Felix, floss neben anderen Quellen in die mehrjährige Arbeit ein.

2011 | Andres Veiel | Spiel | 125 Min | DCP

Der Regisseur Felix Moeller gibt Einblick in die Entstehung seines neuesten Kinodokumentarfilms, einer persönlichen Annäherung an 40 Jahre Deutscher Herbst als Familiengeschichte, Filmgeschichte und Gesellschaftsporträt. Er zeigt das politische Klima in der Bundesrepublik in den 1970er Jahren, in dem Künstler/-innen, Intellektuelle, Hochschullehrer/-innen, Journalist/-innen und Geistliche als vermeintliche geistige Wegbereiter des RAF-Terrorismus ins Fadenkreuz von Polizei, Presse und Politik gerieten.

2017 | Dok

Der 16-jährige Benno wird vom Ehepaar Lohmann adoptiert. Herr Lohmann, eingenommen von seiner liberalen Großherzigkeit, kauft ihm ein Moped und verschafft ihm einen Ausbildungsplatz. Doch Benno ist die aufgesetzte Fürsorglichkeit zuwider. Er treibt sich mit einem Kleinkriminellen herum und umwirbt die ebenfalls von den Lohmanns adoptierte Gaby. Bennos Emanzipationsbestrebungen und seine Fixiertheit auf Gaby führen zwangsläufig zur Katastrophe. Der im Schatten der Berliner Mauer angesiedelte Film bricht mit herkömmlichen Erzähltechniken und erscheint, aus der historischen Distanz gesehen, wie eine hellsichtige Vorwegnahme des später eskalierenden Generationenkonflikts in der BRD.

1967 | Johannes Schaaf | Spiel | 86 Min | 16mm

Klaus Lemkes BRANDSTIFTER zeigt Momentaufnahmen aus dem WG-Alltag einer Gruppe der APO. Die Student/-innen reagieren mit Ratlosigkeit und Wut auf die Staatsgewalt und drehen einen Agitationsfilm. Die Lage spitzt sich zu, als Anka, gespielt von Margarethe von Trotta, Feuer in der Wäscheabteilung eines Kaufhauses legt.

1969 | Klaus Lemke | Spiel | 65 Min | DigiBeta | In Kooperation mit dem rbb

In DIE BLEIERNE ZEIT erzählt Drehbuchautorin und Regisseurin Margarethe von Trotta von der vielschichtigen Beziehung zweier Schwestern: Marianne, Mitglied des terroristischen Untergrunds, befindet sich in Isolationshaft, während Juliane mit der Situation ihrer Schwester hadert und sie mehrmals im Gefängnis besucht. Ein Film über bedingungslose Anteilnahme und Ursachen der Gewalt, angelehnt an die reale Geschichte von Gudrun und Christiane Ensslin.

1981 | Margarethe von Trotta | Spiel | 106 Min | 35mm | In Kooperation mit dem rbb

Der Regisseur Gerd Kroske gibt Einblick in die Arbeit an seinem neuesten Dokumentarfilm, der die Geschichte des 1970 durch den Arzt Wolfgang Huber gemeinsam mit Patienten begründeten »Sozialistischen Patientenkollektivs« (SPK) nacherzählt. Die antipsychiatrische Bewegung erhielt massiven Zulauf und führte zum Konflikt mit akademischen und politischen Institutionen. Einige dem SPK zugerechnete Personen schlossen sich bald der RAF an.

2017 | Dok | MPEG-4-Datei

Die Entführung Hanns Martin Schleyers stand am Beginn des sogenannten Deutschen Herbstes. Die bekannten Ereignisse des Jahres 1977 lässt der Film weitgehend außen vor und zeichnet stattdessen das Leben und die Karriere des Industriemanagers und Arbeitgeberpräsidenten nach, dem es trotz seiner einflussreichen Positionen im NS-Staat gelang, als »Mitläufer« entnazifiziert zu werden. Schleyer hatte seine NS-Vergangenheit nie geleugnet, distanzierte sich auch nie davon. Aus den Tarifkonflikten der 1960er und 1970er Jahre als rücksichtsloser Vertreter von Unternehmerinteressen bekannt, zeigen ihn die Interviewsequenzen mit Menschen, die ihn persönlich kannten, als liebevollen Familienvater, als offenen, uneitlen und bescheidenen Mann. Das Porträt, das über die zentralen Interviews hinaus mit umfangreich recherchierten Film-, Foto- und Schriftdokumenten arbeitet, kombiniert diese zu einer formal typischen, gleichzeitig vielschichtigen und mit zwei Grimme-Preisen ausgezeichneten Fernsehdokumentation.

2003 | Lutz Hachmeister | Dok | 90 Min | DVD

Bei der sogenannten »Gründungsaktion« der RAF, der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders am 14. Mai 1970 erlitt der Angestellte Georg Linke einen Lebersteckschuss und schwebte vorübergehend in Lebensgefahr. Im Gegensatz zu den flüchtigen Terroristen wurde er von seinen Zeitgenossen ignoriert. Dieser Fernsehfilm über einen Tischlermeister, der diesen Zustand nicht ertragen kann und versucht, seine Mitmenschen und den Berliner Senat aufzurütteln, ist eine frühe Auseinandersetzung mit den Opfern des Terrorismus und mischt dokumentarische mit fiktionalen Elementen.

1971 | Rolf Hädrich | TV-Dok | 80 Min | DVD

Ein junger Familienvater und Polizeibeamter wird bei einer Verkehrskontrolle erschossen. Am Steuer des gestoppten PKW saß ein gesuchtes RAF-Mitglied. Trotz der eindeutigen Beweislage geht der Terrorist straffrei aus und erhält Zeugenschutz. 41 Jahre später will die Witwe des Polizisten den Mörder ihres Mannes ausfindig machen. Der hochkarätig besetzte Fernsehfilm ist an den Fall des Polizisten Norbert Schmid, des ersten RAF-Opfers, angelehnt.

2011 | Hartmut Schoen | TV-Spiel | 90 Min | BluRay

Jens Keller, ein RAF-Terrorist der dritten Generation, wird nach 18 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Seine besorgte Schwester Tina ruft ehemalige Vertraute zu einem Willkommenswochenende in ihrem Landhaus zusammen. Jens gibt sich misstrauisch und ist angewidert von der Selbstgefälligkeit und den Konsumansprüchen der anderen. Doch als sein Sohn auftaucht, den er nicht erkennt, rechnet dieser bald vor allen mit dem Vater ab. Nina Grosses Film nach dem Roman von Bernhard Schlink setzt das historische Scheitern des RAF-Terrorismus in Beziehung zum Versagen der RAF-Mitglieder gegenüber ihren Kindern – eben jener Zukunft, mit der sie ihre Gewalt legitimierte.

2012 | Nina Grosse | Spiel | 98 Min | DCP

Dominik Grafs neuester Tatort beginnt mit einem angeblichen Badewannenunfall, bei dem Marianne Heider ums Leben kommt. Ihr Exmann glaubt jedoch, dass sie von ihrem letzten Lebensgefährten Georg Jordan ermordet wurde. Die Kommissare Thorsten Lannert und Sebastian Bootz finden Heiders Argumente glaubwürdig genug, um der Sache nachzugehen. Dabei stellen sie fest, dass Jordan in den 1970er Jahren als V-Mann für den Verfassungsschutz gegen die RAF eingesetzt war. Ist das der Grund dafür, dass die Kommissare bei den Ermittlungen ständig auf Widerstand aus Polizeibehörde und Staatsanwaltschaft stoßen?

2017 | Dominik Graf | TV-Spiel | 90 Min | ProRes-Datei

Rita Vogt, ehemaliges RAF-Mitglied, ist über Beirut und Paris in die DDR geflüchtet und kann dort durch die Hilfe eines Stasi-Offiziers ein neues Leben beginnen. Ihre intime Freundschaft zu einer Arbeitskollegin endet jedoch abrupt, als Ritas Bild in einem Fahndungsaufruf im TV zu sehen ist und sie erneut untertauchen muss. Neben Plagiatsvorwürfen durch die ehemalige RAF-Terroristin Inge Viett, deren Autobiographie 1997 erschienen war, wurde Volker Schlöndorffs Film Entpolitisierung vorgehalten. Allerdings will DIE STILLE NACH DEM SCHUSS weder Zeitgeschichte referieren noch politisch Position beziehen. Vielmehr weicht die berührende Zeichnung der Hauptfigur als eine Frau, die lieben und geliebt werden möchte, die Grenze zwischen Tätern und Opfern auf.

2000 | Volker Schlöndorff | Spiel | 95 Min | 35mm

Musik tönt aus dem Haus am Meer. Mozarts Königin der Nacht singt ihre Rachearie. Drinnen sitzt ein Toter, als lausche er der Musik. Der Tote war ehemals ein RAF-Mitglied und in der DDR abgetaucht. Die Rachearie scheint auf ein Mordmotiv in seiner westdeutschen Vergangenheit zu verweisen: Als Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 starb, wurde für die Staatsoberhäupter gerade Mozarts »Zauberflöte« gespielt. Ob dies die richtige Spur ist, müssen Kommissar Glauberg und BKA-Beamtin Paula Reinhardt herausfinden – doch beide haben ganz eigene Beweggründe, an dem Fall zu arbeiten.

2005 | Matti Geschonneck | TV-Spiel | 90 Min | DVD

Oktober 1977. Der entführte Lufthansa-Jet Landshut wird von einem GSG9-Kommando gestürmt, die RAF-Häftlinge Baader, Ensslin und Raspe begehen in Stammheim Selbstmord, und die Leiche von Hanns Martin Schleyer wird in einem Kofferraum nahe der französischen Grenze gefunden. Zu den allgegenwärtigen Bildern aus Zeitungen und Fernsehen sollte das Gemeinschaftswerk von elf Regisseur/-innen, allesamt Protagonist/-innen des Neuen Deutschen Films, eine ästhetische Gegenoffensive sein. Die dokumentarischen und fiktionalen Episoden fangen gerade in ihrer Gegensätzlichkeit und scheinbaren Unvereinbarkeit die Atmosphäre jener Zeit ein, die von großem Misstrauen in die Demokratie geprägt war – und spiegeln eine zerrissene Gesellschaft.

1978 | Alf Brustellin, Hans Peter Cloos, u.a. | Dok+Spiel | 119 Min | 35mm

Drei von sich selbst genervte und von der Wiedervereinigung frustrierte Twens planen, einen hohen Repräsentanten des Staates mit Hilfe eines präparierten ferngesteuerten Spielzeugautos, das sie unter seine Limousine lenken wollen, in die Luft zu sprengen. Der Plan misslingt und am Ende ihres Marschs durch den Terror kehren die drei in den Schoß der Gesellschaft zurück. Der Film ist einerseits als grelle Satire auf die RAF und ihre Methoden angelegt und lässt andererseits politische Gesinnung als Ware erscheinen, deren Aneignung man mit dem Stehlen von Gütern aus einem Kaufhaus vergleichen kann.

1992 | Philip Gröning | Spiel | 93 Min | 35mm